…es ist dort, wo sich Oberstufenschüler mit Gedichten abmühn. So mag der ein oder andere empfinden, wenn im ersten Halbjahr der Q2 das Thema Lyrik im Curriculum auftaucht. Doch der Unterricht dazu muss gar nicht zwingend so trocken und verstaubt aussehen, wie das Durchschnittsalter der behandelten Werke den Anschein erwecken könnte.

Denn wie schon Goethe wusste, „findet ein gescheiter Mensch [die beste Bildung] auf Reisen.“ Glücklicherweise sind unsere Deutschlehrer gescheite Menschen und so führten sie den Weg unserer Stufe am 10.11.2022 in die Stadt der Dichter und Denker, die Stadt der Richter und Banker und natürlich die Stadt des besten Fußballvereins Deutschlands: Frankfurt am Main.
Dort liegt nur zehn Minuten fußläufig vom Bahnhof entfernt und im Schatten des Commerzbank-Towers das Geburtshaus des wohl bekanntesten deutschen Schülerschrecks, Johann Wolfgang von Goethe, an dessen Seite sich das erst im Jahr 2021 eröffnete Deutsche Romantik-Museum schmiegt.

Hier konnten wir zunächst auf drei Stockwerken das nach dem zweiten Weltkrieg wieder originalgetreu aufgebaute Gebäude erkunden, in dem Goethe, geboren 1749, den größten Teil seiner Kindheit und Jugend verbrachte. Als Sohn hoch angesehener Frankfurter Bürger schien es ihm an nichts zu mangeln und gerade auf einen ausgezeichneten Privatunterricht legten seine Eltern großen Wert. Dies und andere interessante Familiengeschichten erfuhren wir, begleitet von einem digitalen Audioguide, oder für die Altmodischeren, einer Informationsbroschüre mit komprimierten Angaben zu jedem Zimmer und den meisten Ausstellungsstücken. Dadurch erspart sich das Museum lästige, erklärende Tafeln und auch Absperrungen oder Sicherheitsglas fallen weg, sodass durch nichts der Anschein erweckt wird, als wäre ein spielender Goethe auf dem Fußboden unpassend. Ganz atmosphärisch erlebten wir so die Küche mit großem Feuerofen, Goethes Arbeitszimmer mit dem Stehpult, an dem er so manches seiner bedeutenden Werke niederschrieb, und ein Kinderzimmer mit dem Puppenhaus seiner Schwester Cornelia. Doch auch diverse Salons, eine randgefüllte Bibliothek und eine große astronomische Standuhr, deren Marktwert so einige moderne Sportwagen aussticht, konnten von uns aus nächster Nähe betrachtet werden.

Anschließend ging es im Romantik-Museum weiter, dem man seine gar jugendliche Frische deutlich anmerkte. Der Geist der Romantik sollte hier nicht gelehrt, sondern spürbar gemacht werden. Die Goethe-Galerie, eine Sammlung sämtlicher Gemälde namhafter Künstler mit Verbindungen zum deutschen Wunderdichter, bildet den Übergang und führt den Betrachter sinnlich hinein in die Welt der Romantik, geprägt von Träumerei und Naturzuwendung. Und auch in den übrigen Ausstellungen verliert jener Aspekt nicht seinen Reiz. Das geschickte Spiel mit Licht und Dunkelheit, der Einsatz von optischer Illusion und das Angebot an Märchen-, Sagen- und Gedichtsfragmenten, begleitet von akustischer Untermalung, führen zu einer emotionalen wie intellektuellen Ergriffenheit, die in reinster Form die Gedanken der Romantik transportiert. Schließlich locken dann durch Filmsequenzen aus Dracula und Frankenstein noch Einblicke in die schaurig, mystische Form der Spätromantik sowie Ideen, die die Romantik in der Physik freisetzte. Durchweg wird die Subjektivität des Einzelnen in den Mittelpunkt gestellt, wodurch an Flucht vor den Gedanken über das eigene menschliche Wesen nicht zu denken ist. Zugegeben, man wird am Ende des Museumsbesuches nicht unbedingt mehr wissen, doch man wird mehr verstehen.

Abschließend blieben noch einige freie Minuten, in denen wir beispielsweise das Frankfurter Bankenviertel, die Mainpromenade oder die nahe gelegene Paulskirche besichtigen konnten, der man ihre Geschichtsträchtigkeit bedauerlicherweise nicht mehr anzusehen vermag.
Am Ende des Tages ging es mit der Deutschen Bahn wieder zurück nach Siegen und die Exkursion wurde als Erfolg verzeichnet (zumindest sprach eine nullprozentige Vermisstenquote stark dafür).
Nicht jeder wird in den Museen die gleichen Erfahrungen gemacht haben und manche mögen die Ausstellungen auch gar nicht angesprochen haben.
Doch letztendlich gilt: „Wer nicht neugierig ist, erfährt nichts.“ (J.W. von Goethe)

Robin, Q2

romantikmuseum-1
romantikmuseum-1
romantikmuseum-2
romantikmuseum-2
romantikmuseum-3
romantikmuseum-3
romantikmuseum-4
romantikmuseum-4
romantikmuseum-5
romantikmuseum-5