Die Schülerinnen und Schüler erlernen während des 5. und 6. Schuljahres innerhalb ihres normalen, wöchentlich zweistündigen Musikunterrichts zusätzlich ein Streichinstrument ihrer Wahl. Das Instrumentalspiel dient der Konkretisierung und direkten Erfahrung vermittelter musiktheoretischer Inhalte. Am Ende der Klasse 6 haben die Schüler sich unter anderem mit folgenden Inhalten beschäftigt: Notensystem und Notenschlüssel, Noten, Notenwerte, Aufbau der Stammtonreihe und der Tonleitern in Dur und Moll, Versetzungszeichen # und b und die entsprechenden Notennamen, Tonleitern im Quintenzirkel, parallele Molltonarten, Intervalle, Metrum, Takt und Rhythmus, Taktarten, kennen lernen einzelner Komponisten und ihrer Werke (Oper, Programmmusik), Musik anderer Länder, Musik aus Film und/oder Musical/Oper. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Singen.
Das System des instrumentalen Streicherklassenunterricht wird nach der Methode von Paul Rolland unterrichtet.
Die Klasse wird zur Zeit von einer Instrumentalpädagogin mit zusätzlichem 1. Staatsexamen Schulmusik, einem Instrumentalpädagogen aus dem venezolanischen Kinder- und Jugendorchestersystem und einer Musiklehrerin (Hauptinstrument Querflöte) des Gymnasiums im Team-Teaching unterrichtet. Ab der 7. Klasse werden die Schüler/innen wieder mit den parallel laufenden Klassen in Musik unterrichtet.
Paul Rolland und die Rolland-Methode in den USA
Der gebürtige Ungar Paul Rolland hatte in seiner langjährigen Tätigkeit als Professor für Violine und Violindidaktik an der Universität Illinois seit 1966 elementare Bewegungsabläufe auf Streichinstrumenten analysiert und die Ergebnisse in einem umfangreichen pädagogischen Werk vorgelegt. Das Ziel dieses Programmes war es, den instrumentalen Streicherunterricht in Klassen und Gruppen an High-Schools neu zu konzipieren und zu verbessern.
Die aus dieser Arbeit hervorgegangene Rolland-Methode wird im Regel-Unterricht an den nordamerikanischen allgemeinbildenden Schulen ab dem Alter von 8 bis 10 Jahren mit großem Erfolg angewendet. Sie basiert auf einer physiologisch konsequent durchdachten und logisch ausgeführten Didaktik, die kompromisslos dem obersten spieltechnischen Ziel Paul Rollands dient, Natürlichkeit und Spannungsfreiheit der Bewegungen am Instrument zu erreichen.
Rolland führt als Kodaly-Schüler ureuropäische Traditionen fort, die bei uns leider durch die berechtigte Kritik an einem nur "musischen" Unterricht (Adorno u.a.) z. T. verloren gegangen sind. Musik zu lernen, indem man Musik macht, und nicht indem man Theorie ohne Bezug zum klanglichen Phänomen betreibt, scheint uns der natürliche Weg zur parallelen Entwicklung von Können und Wissen zu sein. Sich unterhalten über Musik oder reflektieren über Musik setzt doch voraus, dass Musik erlebt und erfahren worden ist. Warum soll ein(e) Schüler(in) die Analyse einer Taktart oder Tonart für wesentlich halten, wenn er oder sie nie gespürt hat, wie diese Parameter den Charakter eines Stückes prägen? Diese Erfahrungen können nicht früh genug gemacht werden, sind aber auch in der Sek I und Sek II noch vermittelbar.
Die Ziele eines Streicherklassenunterrichts in den Klassen 5 und 6 eines Gymnasiums können so beschrieben werden:
Die SchülerInnen sollen nach zwei Jahren ein Streichinstrument soweit kennengelernt haben, dass sie eine begründete Entscheidung darüber treffen können, ob Sie dieses Instrument weiter erlernen möchten oder nicht.
Wie lässt sich der Streicherklassenunterricht vor dem Hintergrund der geltenden Richtlinien begründen?
Die Richtlinien für die Sekundarstufe I in NRW formulieren zwei übergeordnete Richtziele:
"Der Unterricht soll Hilfen geben zur Entwicklung einer mündigen und sozial verantwortlichen Persönlichkeit" und "grundlegende Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln".
Der Streicherklassenunterricht bietet die Möglichkeit, viele der bei der Entfaltung dieser Richtziele formulierten Forderungen an den Unterricht der Sek. I in mustergültiger Weise zu erfüllen. So sind in der Orchestersituation die "Entfaltung individueller Fähigkeiten" und der "Aufbau sozialer Verantwortung" untrennbar miteinander verbunden. Der Gesamtklang verträgt kein den Nebenspieler aus dem Blick verlierendes Nur-an-sich-Denken. In diesem Zusammenhang heißt es in den Richtlinien außerdem, dass "soziale, fachbezogene und kulturelle Erfahrungen" gesammelt werden sollen. Der SKU stellt die SchülerInnen in die jahrhundertealte Musikkultur Europas, ist fachlich ausgesprochen anspruchsvoll und, wie oben gezeigt, nur im Miteinander zu verwirklichen. Gerade vor Konzerte oder Vorspielen ist deutlich zu spüren, wie die SchülerInnen sich auch gegenseitig unterstützen, kritisieren und motivieren, um das Gruppenergebnis so gut wie möglich werden zu lassen.
Der Streicherklassenunterricht als Teil des "Musik-Konzepts" am Gymnasium Am Löhrtor
Der Streicherklassenunterricht bietet SchülerInnen, die im Alter von 10-11 Jahren das übliche Einstiegsalter von 7-8 Jahren für den Instrumentalunterricht an einer Musikschule schon überschritten haben, den Einstieg in das Erlernen eines Streichinstrumentes; dieser Unterricht ist durch die Großgruppe vergleichsweise kostengünstig und durch die Integration in den Regelunterricht nicht mit zusätzlichem Zeitaufwand verbunden. Dadurch, dass der Unterricht zweimal in der Woche stattfindet, treffen folgende Ausführungen von Reinhard Seiffert in den "Arbeitshilfen zum Gruppenunterricht" des VdM zu: "Die kürzeren Intervalle entlasten Kinder und Eltern vom häuslichen Üben, das sich in der Anfangszeit auf wenige einfache Übungen, zunächst noch ohne Instrument, beschränken kann. So werden die Fehler vermieden, die sich bei einwöchigem falschen Üben, oft auf verstimmten Instrumenten, einschleichen und meist langwieriger zu beseitigen sind, als Fortschritte zu erreichen wären. Die Überforderung der Kinder und Eltern durch eine lange Übungswoche ist, ob eingestanden oder nicht, oft die Ursache von Misserfolgen im Einzelunterricht."