Schon im 20. Jahrhundert gehörte Max Ernst zu den einflussreichsten Künstlern seiner Zeit und galt unabdingbar zu den größten Vertretern des Dadaismus und des Surrealismus. Bis heute behalten seine Werke ihren mächtigen Einfluss - sowohl auf folgende Kunstgenerationen als auch auf den Betrachter selbst.

Seine 'absurden', jedoch einzigartigen Entwürfe entspringen, wie bei zahlreichen anderen Surrealisten auch, seinen Träumen, Fantasien und dem Unterbewusstsein, welche als seine wesentliche Triebkraft fungierten. Vor allem die Vielfalt seiner gefertigten Werke und dessen Techniken werden bis heute umschwärmt. Glücklicherweise ergab sich dem Kunst-Grundkurs der Q2 (2021/2022) die Möglichkeit, einige seiner Werke hautnah erleben und kennenlernen zu dürfen: Am 3. November 2021 begaben wir uns auf die Reise ins Max-Ernst-Museum Brühl, um uns die Werke des deutschen Malers, Zeichners und Bildhauers genauer anzusehen. Die dauerhafte Ausstellung der Einrichtung ermöglicht es uns, seinen ereignisreichen Lebenslauf, aber auch seine künstlerische Entwicklung nachvollziehen zu können, wobei die im Folgenden dargestellten Techniken bzw. Werkreihen des Künstlers einen besonders großen Eindruck auf die Schüler des GAL hatten.

Von einem (überaus freundlichen und vor allem kompetenten) Museumsmitarbeiter wurden uns in einem einstündigen Durchgang die wichtigsten Reihen und Werke des deutschen Künstlers präsentiert und erklärt. Zu Beginn betrachteten wir die von Max Ernst erschaffene "Frottage": Der Künstler entwickelte 1925 seine eigene grafische Technik, indem er das Oberflächenrelief beliebiger Gegenstände (oft waren es Blätter, Holz o.ä.) mit einem weichen Bleistift auf das genutzte Medium (z.B. Papier) durchrieb. Besonders überwältigend war die Zusammenstellung seiner Werke, die er mit seiner Frottage-Technik konzipierte: Die insgesamt 34 Bilder ergaben zusammengesetzt eine Chronologie namens "Histoire Naturelle", die unsere Naturgeschichte illustriert widerspiegeln soll. Verschiedene Zustände der Umwelt, Objekte und (Teile von) Lebewesen wie z.B. Blätter, Federn oder Augen stellen den zeitliche Wandel von der tiefen Dunkelheit und Leere des Universums zur Entwicklung des ersten Menschen dar. Vor allem die verschiedenen Sichtweisen der Betrachter geben dem Einzelnen Anlass, andere Vermutungen und Eindrücke zu erwerben, um so den eigenen Horizont erweitern zu können und die eigene Fantasie bei der Identifizierung der dargestellten Objekte spielen zu lassen. Insbesondere die „Vollkommenheit“ der Werkreihe beeindruckte die Schüler des Kunstkurses: Die dargestellten schrittweisen Weiterentwicklungen in unserer Evolutionsgeschichte verschlagen dem Betrachter die Sprache, sobald die Erkenntnis gewonnen wird, dass alle einzelnen Bilder zu einem großen, organisierten Ganzen gehören.

Bereits im Unterricht durften wir die Collagen des großen Künstlers kennenlernen und uns selbst an die Methode „wagen“: Einzelne, abgesonderte Fragmente werden zu einem Gesamtbild zusammengeklebt, um somit absurde Bilder erschaffen zu können. Obwohl sich der Betrachter der Abwegigkeit des dargestellten Objekts bewusst ist, so hinterlässt die feine Arbeit mit den einzelnen Bildelementen den Eindruck, als könne man den aus Papier erschaffenen Wahnsinn auch in unserer Realität wiederfinden. Wie bei den obengenannten Frottage-Werken, wurden hier erneut all seine Collagen zusammengetragen, um sie gebündelt betrachten zu können.

Darüber hinaus zeigten die Schüler des Kunstkurses großes Interesse gegenüber den „D-Bildern“: Jedes Jahr, das das Paar zusammen verbrachte, schenkte Max Ernst seiner 4. Ehefrau Dorothea Tanning ein Gemälde. Charakteristisch für jedes Einzelstück von ihnen war ein deutlich erkennbares „D“, das z.B. farblich auf den Hintergrund des Gemäldes abgestimmt war und in das Bild integriert wurde. Besonders interessant sind die „D“-Bilder aufgrund ihrer Vielfalt der genutzten Techniken des Künstlers - Dekalkomanie, Grattage, Collage, Assemblage und Frottage lassen sich beinahe in jedem Werk der Reihe wiederfinden. Auch häufig dargestellte Lichterscheinungen ziehen sich durch die gesamte Werkgruppe – mal ein strahlender Vollmond, Funken oder schillernde Sterne, die die elektrisierende Liebe der beiden zum Ausdruck bringen sollen. Die Faszination der Schüler wird vor allem in den Erzählungen im Plenum deutlich: Man könne die tiefe Verbundenheit des „Künstler-Paares“ allein durch die Betrachtung des Bildes spüren, wobei die für Max Ernst charakteristischen Motive und surrealen Bilder nie verloren gehen würden und auch hier in seiner Liebesgeschichte einen festen Platz einnehmen. Auch die Kuration des Museumsmitarbeiters ermöglichte es einigen Schülern überhaupt zu verstehen, warum sie ein Bild derartig mochten und sich intensiv damit beschäftigten, was ebenfalls in der gemeinsamen Reflexion des Ausflugs mehrmals gelobt wurde.

Zum Schluss unserer gemeinsamen Erkundung wurde uns eines der Hauptwerke von Max Ernst vorgestellt: die ursprünglich aus Zement gegossene Plastik „Capricorn“ (1948). Zu sehen ist eine Figurengruppe, die aus Zementgüssen verschiedenster Alltagsgegenstände zusammengestellt wurde, z.B. aus Eierkartons und Milchflaschen, die dem Bau des Zepters der linken Figur dienten. Humor- und fantasievolle Neukombinationen sollen laut den scherzhaften Beiträgen des Künstlers Max Ernst seine Familie darstellen, wobei jedoch erneut gezeigt wird, dass es keine eindeutigen Erklärungen und Interpretationen für seine Werke gibt und es dem Betrachter selbst überlassen sei, sich ein Bild von der Beziehung des Künstlers zur eigenen Familie zu schaffen.

Bevor es dann schließlich wieder nachhause ging, blieb uns die Möglichkeit eine Sonderausstellung zu „surrealen Tierwesen“ zu besuchen: Hierbei wurden die Gemälde, Zeichnungen, Plastiken und Installationen verschiedenster Künstler an einen Ort gebracht, um erneut die Variationsbreite und die künstlerischen Ausmaße des Surrealismus' präsentieren zu können. Werke von u.a. André Breton, Salvador Dalí, Max Ernst und Dorothea Tanning zeigen in diesem Bestiarium ihre selbst erschaffenen Mischwesen oder sogar eigene Alter-Egos, wie z.B. der Vogel als häufig verwendete Figur bei Max Ernst.

Allgemein ließe sich sagen, dass die Ausstellung erfolgreich neue Eindrücke vermitteln und uns Schülern einen größeren Einblick in die Lebensgeschichte und damit verbundenen Werke des Künstlers gewähren konnte. Für jeden Kunstliebhaber ist die Ausstellung ein absolutes „Muss“, denn obwohl man vielleicht kein großer Fan der beliebtesten Werke von Max Ernst ist, so ist für jeden Besucher etwas dabei, mit dem er sich identifizieren und näher auseinandersetzen kann. Zwar machen die Collagen und Frottagen die Highlights der Ausstellung aus, jedoch ließe sich für jeden Besucher ein Einzelstück oder sogar eine eher unbekanntere Werkgruppe finden, von der man sich begeistern lassen könne.

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