„Philosophie musst du studieren, und wenn du nicht mehr Geld hättest, als nötig ist um eine Lampe und Öl zu kaufen, und nicht mehr Zeit als von Mitternacht bis zum Hahnenschrei.“ Diesen dringenden Rat hat – fast 200 Jahre sind das her – Friedrich Hölderlin seinem jüngeren Bruder Karl geschrieben. 

Philosophie als Freizeitvergnügen? Philosophie als unnützer Luxus? Philosophie als abstrakte Wortklauberei, die keiner versteht? Solche Vorurteile (es gibt sie nicht erst seit 200 Jahren) können doch nicht ganz stimmen, wenn Hölderlin seinem Bruder, von dem er doch wusste, dass er keine besondere Schulbildung hatte, so eindringlich die Philosophie ans Herz legte. Was versprach er sich davon? Eines gewiss nicht: bessere Berufsaussichten. Karl Hölderlin hatte zum Glück seinen Beruf (er war Stadtschreiber) ; und das hat sich bis heute nicht geändert: zum Broterwerb taugt sie nicht, die Philosophie. Insofern ist sie tatsächlich ein Luxus. 

Philosophie gibt es als Grund- und Leistungskurs im „gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld“ der Sekundarstufe II. 

Mancher sieht jetzt schon einen zusätzlichen Deutschunterricht auf sich zukommen und wehrt ab. Das aber wäre ein ungerechtfertigtes Vorurteil und da Vorurteile auch den gelassensten Philosophen aus der Ruhe bringen, schaffen wir es gleich wieder aus der Welt: Zwar wird im Philosophieunterricht auch viel gelesen, denn die Grundlage der Meinungsbildung sind i.a. Texte und die Analyse von Thesen, Argumenten und Theorien. Diese geht einer kritischen Reflexion voraus. 

Wer sich mit selbsterdachten oder von anderen übernommenen Vormeinungen noch nicht zufrieden gibt, sondern weiterbohrt, der findet nicht nur in seinem Kurs Gesprächspartner, sondern – eben durch (philosophische und andere) Texte – auch in entfernteren Orten oder Zeiten. 

Aber um welche Probleme geht’s denn da überhaupt? Philosophische Probleme unterscheiden sich in einer wesentlichen Hinsicht von denen anderer Schulfächer. Während man durch den Unterricht in Physik oder Geschichte sein Wissen (in einem bestimmten Fach) vermehrt und damit klug oder gescheit wird, bemüht man sich in der Philosophie darum, weise zu werden. (Das griechische Wort „Philosophie“ bedeutet Liebe zur Weisheit.) 

Richtig daran ist sicher, dass man nicht philosophieren (wohl aber klug sein) kann ohne eine gewisse Lebenserfahrung. Der Weise nämlich befragt all das, was wir in den verschiedenen Fächern und Lebensbereichen lernen, auf seine Bedeutung für unser Leben insgesamt. (Was natürlich schlecht möglich ist, wenn man vom Leben noch nicht viel kennengelernt hat bzw. nichts lernen und wissen will.) 

Welchen Sinn hat denn das, was ich da tue? Wovon geht es aus? Worauf läuft es letztlich hinaus? Was steckt dahinter? Solche Fragen stellen heißt philosophieren. Es heißt heraustreten aus den Alltagsgeschäften, infragestellen, staunen und zweifeln, auch wenn es unbequem wird. 

Wer philosophiert, kann damit nicht besondere Fragen innerhalb seines Fachs oder Berufs leichter klären, wohl aber kann er deren Voraussetzungen und den Rahmen in dem sie stehen aufdecken. Insofern ist Philosophie die höchste Wissenschaft. Sie versucht rational die Welt und die Menschen zu verstehen, wobei das rätselhafte nicht völlig verschwindet. Oder um es mit B. Russell zu sagen: „Die Philosophie kann uns zwar nicht mit Sicherheit sagen, wie die richtigen Antworten auf die gestellten Fragen heißen, aber sie kann uns viele Möglichkeiten zu bedenken geben, die unser Blickfeld erweitern und uns von der Tyrannei des Gewohnten befreien. Sie vermindert unsere Gewissheit darüber, was die Dinge sind, aber sie vermahrt unser Wissen darüber, was die Dinge sein könnten. Sie schlägt die arrogante Gewissheit jener nieder, die sich niemals im Bereich des befreienden Zweifels aufgehalten haben, und sie hält unsere Fähigkeit zu erstaunen wach, indem sie uns vertraute Dinge von uns nicht vertrauten Seiten zeigt.“ 

Etwas fasslicher wird diese Wissenschaft, wenn man sich ihre wichtigsten Teilgebiete ansieht. 

Die „Anthropologie“ (Lehre vom Menschen) – Thema des Philosophiekurses in der Jahrgangsstufe 11/2 – beschäftigt sich mit den wichtigsten Eigenschaften die den Menschen auszeichnen (z.B. Sprache, Vernunft, Liebe, Freiheit, unsere Stellung in der Natur, in der menschlichen Gemeinschaft und im gesamten Kosmos). 

In der „Ethik“ (Moralphilosophie) – Thema in 12/1 – spricht man über das menschliche Handeln, über Werte und Ziele, die wir Menschen verfolgen sollen um ein gutes und glückliches Leben führen zu können. 

In der „Staatsphilosophie“ – Thema in 12/2 – geht es um Grundprobleme der Politik und Gesellschaft (z.B. um Grundrechte, Staatsformen, Utopien, Gewalt, Krieg und Frieden). 

In der „Erkenntnis und Wissenschaftstheorie“ – ein mögliches Thema in der Jahrgangsstufe 13 – untersucht man die Grundlagen und Grenzen menschlicher Erkenntnis, also Fragen wie: Was ist Wahrheit? Auf welchen Voraussetzungen beruht die Mathematik? Sind andere Formen menschlicher Erkenntnis denkbar? 

Selbstverständlich können diese Teilgebiete der Philosophie – je nach den besonderen Interessen eines Kurses – anders gefüllt oder (vor allem in Klasse 13) um weitere Teilgebiete ergänzt werden: z.B. Sprach-, Kunst-, Religionsphilosophie oder auch Metaphysik, Naturdeutung u. a. 

Bei all ihren verschiedenen Fragen und Antworten geht es ihnen doch immer um das Gleiche: um den Horizont unter dem das menschliche Handeln einen bzw. seinen Sinn erhält. 

Wer sich einen billigen Handel mit unhinterfragten Meinungen erhofft, wird von der Philosophie enttäuscht sein. Wer sich dagegen mit den zuvor genannten Fragen in hartnäckigen Gesprächen auseinandersetzen will um zu einem eigenständigen Urteil zu gelangen sollte sich nicht wundern, wenn er so schnell nicht mehr davon los kommt.