SIEGEN Modernste Technik zieht in die MINT-Räume des Gymnasiums am Löhrtor ein
Christine Banda: „Alle Kollegen ab 40 haben erst einmal schlucken müssen.“
sabe ▩ Einen Tafeldienst braucht es bald wohl nicht mehr. Vielleicht zur Erleichterung vieler Schüler muss zumindest im Gymnasium am Löhrtor in den Biologie-Räumen niemand mehr mit nassem Schwamm die vollgekritzelte Tafel zurück in den jungfräulich grünen Zustand bringen. Der altbekannten Kreidetafel, bei manch einem vielleicht noch mit nostalgischen Schulerinnerungen verknüpft, wird langsam aber sicher von der anrückenden Digitalisierung der Garaus gemacht. Die grüne Kreidetafel war eine Institution. Überzeugen konnte sie mit Einfachheit: immer einsetzbar, lange haltbar und kaum anfällig. Und doch, so scheint es, muss ein bewährtes Lernmittel des Klassenzimmers weichen. Ersetzt werden die alten Tafeln mittlerweile peu à peu durch sogenannte „Whiteboard“ oder „Smartboards“.
Was bringt's? Einen Katalysator für die Mitarbeit der Klasse. Intuitives Design. Fesselnde digitale Arbeitsbereiche. Echte Zusammenarbeit mehrerer Schüler und Lernen innerhalb von kleinen Gruppen. Ermutigung zu kritischem Denken und Problemlösungen. Bessere Lernergebnisse für alle. Das alles soll das weiße Wunder nach Herstellergarantie können. An Internet oder Laptop angeschlossen, kann man darauf schreiben, projizieren, zeichnen, unterstreichen und redigieren.
Sanierungsbudget |
Das Sanierungsbudget der Stadt Siegen für die Schulen setzt sich aus den Fördermitteln des Programms „Gute Schule 2020“, sowie den eigenen Mitteln zusammen. „Gute Schule 2020“ ist ein Förderprogramm des Landes NRW mit der NRW-Bank zur langfristigen Finanzierung kommunaler Investitionen in die Sanierung, die Modernisierung und den Ausbau der kommunalen Schulinfrastruktur. Das Programm hat ein Gesamtvolumen von 2 Mrd. Euro. Der Förderanteil für die Stadt Siegen beträgt von 2017 bis 2020 8,8 Mill, Euro. Dieses Geld wird auf den eigenen Etat aufgeschlagen. Gesamtvolumen in diesem Jahr für Investitionen und Sachmittel in den Schulsektor: 27,5 Mill. Euro. Die Kosten für die Sanierung des Gymnasiums am Löhrtor belaufen sich auf rund 750 000 Euro. Größte Schulbaumaßnahme in den nächsten Jahren wird mit 5,3 Mill. Euro die Erweiterung der Jung-Stilling-Schule sein. |
Das moderne Pendant ist also jetzt auch in einigen Klassenräumen des Gymnasiums am Löhrtor vertreten - und sogar noch sehr viel mehr Technik schmückt die neuen Klassenzimmer. Möglich gemacht durch das Rahmenprogramm der Bau- und Sanierungsmaßnahmen der Stadt Siegen und auch durch das Förderprogramm „Gute Schule 2020“. Die Stadt investiert in ihre Schulen. Ob im Peter-Paul-Rubens-Gymnasium oder der Gesamtschule auf dem Schießberg - man sei bereits mittendrin, die „wahnsinnig vielen Mittel“, wie Siegens Bürgermeister Steffen Mues während der Präsentation der neuen naturwissenschaftlichen Räume unterstrich, „in den Unterricht zu tragen“. Man setze in den Siegener Schulen ganz bewusst einen Schwerpunkt in die digitale Ausstattung, die technische Infrastruktur und die Vernetzung innerhalb der Gebäude mit WLAN. So wurden und werden auch am Löhrtor alle sechs Fachräume, darunter jeweils zwei Chemie-Räume, zwei Biologie-Räume und zwei Physik-Räume, auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Vollständig saniert sind bis dato die beiden Biologie-Räume, während die Chemie sich in laufenden Bautätigkeiten befindet und die Physik noch in der Planung steckt. Begonnen werden soll mit den letzten Bauarbeiten in den Sommerferien. „Wir sind guter Dinge, dass wir dieses Jahr noch fertig werden.“ Wie die zusätzlich renovierten Räume unter der Bauleitung von Tillmann Bär aussehen könnten, das verrät ein Blick in die bereits fertiggestellten Fachräume:
Helles Grün, freistehende Tische, das Herzstück der modernisierten Räumlichkeiten bildet das Smart-Board. Neu eingebaut wurde ein sogenanntes deckenhängendes System. Soll heißen, dass die erforderliche Energie für Experimente von oben aus den „Medienliften" kommen. Auf Knopfdruck fahren besagte Lifte elektromotorisch herunter und stellen Gas, diverse Stromspannungen und Daten auf ergonomischer Bedienhöhe an den Schülertischen bereit. Besonderer Vorteil dabei: Anders als vor dem Umbau, wo aus dem Fußboden heraus mit allem Nötigen versorgt wurde, sind die Fußböden der Fachräume jetzt frei. Das lässt nicht nur eine flexible Möblierung zu, sprich: der Lehrer kann die Tische je nach pädagogischen Anforderungen frontal oder als Gruppenarbeitstische aufstellen, sondern es kann, wenn nötig, auch fachfremder Unterricht dort abgehalten werden.
Nicht ganz ohne Diskussion blieb die techniklastige Modernisierung im Lehrerkollegium, verriet Schulleiter Dr. Reiner Berg. Ja, man kennt sie, die Diskussion um Vor- und Nachteile einer digitalisierten Schulwelt und doch, die Arbeits- und Wirtschaftswelt steckt schon mittendrin, in der Industrie 4.0. Unpädagogisch wäre es also, Schüler unvorbereitet in ein völlig technikbeherrschtes Umfeld zu schicken. Also arrangiert man sich als Lehrer. Biologielehrerin Christine Banda spricht aus Erfahrung: „Alle Kollegen ab 40 haben erst einmal schlucken müssen, neue Dinge sind in den Anfängen immer schwierig.“ Aber man habe sich dann recht zügig eingefunden. Mittlerweile sei auch für sie selbst das Smart-Board ein wichtiger Unerrichtsbestandteil. Die Kinder passten besser auf und seien mit einer ganz anderen Aufmerksamkeit bei der Sache, so die Beobachtung der langjährigen Biologielehrerin. „In der Bedienung sind die jungen Leute mit einer totalen Selbstverständlichkeit dabei.“ Dennoch, ganz missen möchte Banda die alteingesessene Kreidetafel und ihre Vorzüge nicht. „Man muss ein Mittelmaß finden, das jeder Generation gerecht wird.“
Die Hauptantagonisten jedenfalls sind begeistert. Die Schüler der Einführungsphase verrieten im SZ-Gespräch, was ihnen an den neuen Klassenzimmern so gefällt. Eleonora (15) lobt die neue Möblierung: „Der frühere Hörsaal hier hatte nur statische, auch zum Teil kaputte Sitze, die neuen Möglichkeiten, die Tische zu stellen, schaffen mehr Platz und Freiraum.“ Genau das gefällt auch Sophie (16): „Wir haben viel mehr Fläche auf den Tischen, und durch das individuelle Stellen ist der Blick zur Tafel angenehmer.“
„Tafeln“ sollte man hierbei eher sagen, denn die Schule hat sich für eine Kombination aus alt und neu entschieden. Die klassische grüne Variante kann ganz einfach nach hinten versetzt werden und das Smart-Board erscheint. Sophia findet diese Kombination weiterhin wichtig: „Die grüne Tafel ist angenehmer für die Augen.“ Obwohl Nelson (16) das Smart-Board deutlich besser zum Lernen findet, wegen vielfältigerer Funktionen, kann er doch auch einen positiven Aspekt im Klassischen entdecken: „Falls die Technik mal versagt, hat man eine Ausweichmöglichkeit.“
Vielleicht ist ihre Zeit also doch noch nicht ganz abgelaufen - wenn auch das kratzende Geräusch der Kreide niemand vermissen wird. Wie aber heimliche Liebesbekundungen oder neckische Sprüche, die so manches Mal heimlich und schnell in der Pause auf die Grünfläche gekritzelt wurden, auf das Smart-Board gelangen sollen, daran muss die Technik noch ein bisschen feilen.