SIEGEN Schüler des ältesten Siegerländer Gymnasiums halten eine besondere Tradition am Leben
Die „Kleine Freiheit“ und ihre Vorgänger gibt es bereits seit Jahrhunderten.
js ◼ Alle Achtung. Wenn die Siegener Zeitung im Januar auf ihr 200-jähriges Bestehen zurückblickt, kann sich das mehr als sehen lassen. In ihrer Nachbarschaft aber, nur einen Steinwurf vom Verlagsgebäude entfernt, könnte man darüber eigentlich müde lächeln: Das Gymnasium am Löhrtor (GaL), das älteste im Siegerland, kann inzwischen auf vier Jahrhunderte Schülerzeitungstradition zurückblicken. Und die lebt gerade wieder richtig auf.
Dabei ist das, was bei zahlreichen Schülergenerationen zum guten Ton gehörte, keine Selbstverständlichkeit mehr: Schüler, die Zeitung machen, die das Schulleben in Wort und Bild begleiten und sich auch schon mal die eine oder andere Spitze gegen ihre Lehrer nicht verkneifen können - die finden sich bei Weitem nicht an jeder Schule. Am Löhrtor-Gymnasium soll die jahrhundertelange Geschichte indes noch lange nicht vorbei sein. Entschlossene Schüler werden dieser Tage eine neue Ausgabe der „Kleinen Freiheit“ veröffentlichen - nicht in digitaler, sondern in gedruckter Form. Ganz rund lief es auch hier nicht. Man kennt das: Schülerzeitungen stehen und fallen mit den Machern. Immer wieder gerät das System ins Stocken, wenn tatkräftige Schüler sich verabschieden, ihren Abschluss in der Tasche haben. Ist dann kein Nachfolger in Sicht, wird’s eng. Das ist auch an Siegens ältestem Gymnasium nicht anders; dauerhaft indes riss der Faden nie ab. Vier Jahre sind nun aber doch vergangen, seitdem die letzte Print-Zeitung am GaL die Runde machte. Danach kam der Umstieg aufs Digitale, ein so richtig gezündet hat dieses Experiment nicht.
Auch in der Corona-Zeit, in der das Schulleben auf so manchen Firlefanz verzichten musste, gelang der Online-Version der „Kleinen Freiheit“ kein Durchbruch. Am GaL drohte, wie auch anderswo, das Zeitungssterben. Das sollte sich aber nicht sein, meinte Lea-Janina Bäumer. Die heutige Oberstufenschülerin gehörte zum Redaktionsteam der 2018 erschienenen letzten gedruckten Schülerzeitung am Löhrtor und blieb am Ende allein zurück. Vor mehr als einem Jahr ging sie gezielt auf die Suche nach Mitstreitern, die der „Kleinen Freiheit“ in einer AG wieder auf die Sprünge helfen wollten.
Gerade während der Pandemie sei es nicht leicht gewesen, in der Schule zu kommunizieren, erinnert sich Lukas Töpfer. Die Schülervertretung (SV) etwa sei für viele Schüler nicht präsent gewesen, als habe sie vor sich hin vegetiert, erinnert sich Layouterin Daria Gostev. Das gleiche Problem habe auch die Schülerzeitung gehabt, weiß Lea-Janina Bäumer, die nun die Chefredaktion übernommen hat. „Das war für die Schule nicht fördernd“, meint Daria.
Mit dem Neustart soll nun auch das Gemeinschaftsgefühl am Löhrtor wieder Auftrieb bekommen, der Austausch zwischen den Jahrgangsstufen soll verbessert werden. „Die Identifikation mit der Schule ist wichtig“, findet Kunstlehrerin und AG-Leiterin Monika Liesegang. Von der Motivation und Kreativität der Nachwuchsredaktion ist sie begeistert. 17 Schülerinnen und Schüler, darunter auch Siebt- bis Neuntklässler, haben am Comeback mitgewirkt. Am Samstag, passend zum Tag der offenen Tür, soll die „Kleine Freiheit“ in den Verkauf gehen. Alle drei Monate, so der Plan, soll sie künftig erscheinen.
Aber hat eine gedruckte Schülerzeitung überhaupt eine Chance im digitalen Zeitalter, in dem die „sozialen“ als Informationsquellen so manch etabliertem Medium den Rang ablaufen? Die Redaktion sieht es gelassen. Im Vorfeld zur anstehenden Veröffentlichung hat sie sich umgehört, hat Umfragen in den Klassen gemacht, ob die Schüler an einer solchen Zeitung Interesse hätten. „Viele sind bereit, sie zu kaufen,“ sagt Daria. „Wir möchten ein echtes Kommunikationsmedium für die Schüler werden”, zeigt sich Lukas ambitioniert. Unerreichbar sein dürften indes die großen Auflagen früherer „Schulnachrichten“, bei denen es schon einmal mehr als 1000 Exemplare gab.
Dass die Schülerzeitung „Kleine Freiheit“ heißt, haben sich die jetzigen Macher nicht selbst ausgedacht. Seit 1971 ist dieser Name im Umlauf, damals noch für vergleichsweise textlastige Hefte voll Schreibmaschinenschrift. Den wollten die Blattmacher nur zu gern beibehalten. Inhaltlich und gestalterisch aber sind die Sechzigerjahre nun weit weg. Daria legt bei ihrer Gestaltung Wert auf Farben und Optik. In den vergangenen mehr als zwölf Monaten, so lange schon laufen die Vorbereitungen für den Neustart, hat sie sich intensiv mit der Layout-Software auseinandergesetzt. In Zukunft, so sagt sie, werde sie noch mehr Bilder einbauen. Viele davon stammen aus der Feder von Luana Rexius, die für die künstlerischen Illustrationen verantwortlich zeichnet.
Inhaltlich plant die Redaktion Unterhaltsamem und Ernsthaftes, von Klimaanpassung über Mobbing bis hin zu Berichten aus der SV. Auch „alte Schätzchen“ sollen wieder ausgekramt werden. Hier setzt die „Kleine Freiheit“ auf ihre Geschichte: Ihr Archiv reicht viele Jahrzehnte weit zurück. Da dürfte einiges drin sein.